Was sind Nagelplatten, was sind Nagelplattenbinder?

Nagelplatten sind Holzverbindungsmittel aus Stahlblech. Mit Spezialstanzmaschinen werden stiftförmig profilierte Ausstanzungen, die Nägeln ähnlich sind, aus Stahlblechen abgekantet. Diese "Nägel" stehen dann regelmäßig parallel zur Blechrollenrichtung nahezu im rechten Winkel und werden in verschiedenen Größen zu Platten abgeschnitten (siehe Abb. 1). Zwei gleiche Nagelplatten werden von beiden Seiten symmetrisch in die zu verbindenden Hölzer mit hydraulischen Spezialpressen eingedrückt. Dadurch werden Holztragwerke wie Fachwerkbinder in den unterschiedlichsten Formen, Stabwerkszüge wie Kehlbalkendachgebinde (z.B. Studiobinder), aber auch nachgiebig aus zwei bis drei Querschnitten zusammengesetzte Biegebalken und Rahmensysteme gefügt. Dazu gibt es unterschiedliche Plattenstärken zwischen 1,0 mm und 2,5 mm mit unterschiedlichen Nagellängen und Stärken. Die Tendenz in der Entwicklung geht hin zu kürzeren und feineren Nägeln mit kleineren Abständen untereinander.

Schon in den 20er Jahren wurden in Amerika die Vorläufer der heutigen Nagelplatten entwickelt und patentiert. 1955 entwarf der amerikanische Architekt Sanford die Form der heutigen Nagelplatten. Sie trugen zur Rationalisierung beim Bau von Häusern bei, für die ein riesiger Bedarf bestand. In Amerika ist das Bauen mit wenigen standardisierten Holzquerschnitten und einfachen Holzverbindungen dominierend. 1967, also vor mehr als 30 Jahren, wurden die ersten Nagelplatten dann in Deutschland eingeführt. Damals gab es einige wenige Holzbaubetriebe die als Lizenznehmer von amerikanischen Plattenherstellern, wie Gang-Nail, Hydro-Nail, Bat-Multi-Nail und Alpine Systems Nagelplattenbinder herstellten. Die Verwendung der verschiedenen Systeme in Materialeigenschaften und Berechnung war durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen geregelt. Da die Berechnung der verschiedenen Plattentypen relativ ähnlich ist, wurde in der Aktualisierung der Holzbaunorm DIN 1052 im Jahr 1988 im Teil 2 die Nagelplatte als Verbindungsmittel aufgenommen. Seitdem ist ein Nagelplattentragwerk nicht mehr an ein Plattensystem gebunden, sondern es können unterschiedliche Plattentypen gemischt werden. In der Praxis sind die ca. 130 Binderhersteller in Deutschland durch die vom Plattenlieferant bezogene Software an ein System gebunden. In den allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen sind nur noch die Plattenkennwerte, Plattengrößen und Materialeigenschaften geregelt. Auch Spannweitenbegrenzungen, d.h. die für die jeweilige Platte zulässige größte Spannweite, und gegebenenfalls Besonderheiten wie Herstellung von Dübelbalken und Ausnahmen zur Zulässigkeit der Auflagerung am Obergurt, sind aufgeführt.

Die Hölzer werden zur Verbindung auf speziellen Tischen paßgenau aneinander gelegt. Jeweils eine Nagelplatte wird unter und über den Hölzer angebracht und der Knoten mit einer Spezialpresse verpresst. Verwendet werden zum Beispiel sogenannte C-Pressen, die die Knoten auf einzelnen, am Boden verschraubten oder magnetisch gehaltenen Tischen in der Form eines C umfassen und die Platten von beiden Seiten gleichzeitig und gleichmäßig in die Hölzer eindrücken.

Es gibt auch Stempel- oder Flächenpressen, die über und durch ein ausgeklügeltes System von Füßen auch unter einer großen Tischplatte hinwegfahren und einzelne oder gleichzeitig mehrere Knoten teilweise automatisch verpressen. Diese Tischpressen können auch Wandelemente mit innenliegenden Knoten bearbeiten. Mittlerweile werden auch schon Nagelplatten mit Rollenpressanlagen eingerollt.

In jedem Fall werden die Hölzer mit Spannvorrichtungen fixiert. Das Einrichten der Bindergeometrie benötigt wesentlich mehr Zeit als ein einzelner Pressvorgang, weshalb sich die Nagelplattenbauweise vor allem bei großen Mengen von gleichartigen Bauteilen, wirtschaftlich einsetzen läßt. Die klassischen Bauwerke mit Nagelplattenbindern sind freitragende von Außenwand zu Außenwand spannende Satteldächer, bei denen viele Binder im Abstand von 0,90 m bis 1,50 m sich Reihen. Walme, Gauben und Querbauten erfordern zusätzlichen Aufwand, sind aber technisch durchaus machbar.

Nagelplattenbauteile können je nach Zulassung bis zu 30 m, neuestens (Alpine) auch bis zu 35 m weit frei spannen.

Statisch werden die Hölzer an den Verbindungen stumpf gestoßen und nicht geschwächt. Deswegen können die Materialfestigkeiten der Stabquerschnitte gut ausgenutzt werden. Zusammen mit der rationellen industrialisierten Fertigung mit automatischen Zuschnittanlagen, entstehen sehr ökonomische Bauteile. Zu beachten ist, daß das Holz auch der gerechneten Sortierklasse (im allgemeinen S10) und dem Feuchtigkeitsgrad u<25% im Inneren entsprechen muß, da die filigranen Stäbe Holzfehler, wie z.B. Astansammlungen, Faserverlauf und Abholzigkeit viel weniger verzeihen als Balken.

Die Binder werden vor allem für wirtschaftlich optimerte Gebäude wie landwirtschaftliche Bauten und gewerbliche Hallen, insbesondere wenn eine waagrechte Unterdecke gewünscht oder gefordert wird, verwendet. Vielfach werden Nagelplattenbinder beim Bau von Supermärkten eingesetzt, bei denen die von außen sichtbare Nagelplattenverbindung abgedeckt ist. Neuerdings werden teilweise aber auch sichtbare Nagelplattenkonstruktionen in der modernen Architektur als die Knoten betonende Gestaltungselemente eingesetzt. Dazu werden auch eingefärbte Nagelplatten angeboten.

Schalungsträger für den Betonbau, bei Brückenquerschnitte (vgl. MIKADO 11/99), Sonderschalungen und Kulissentraggerüste sind ein weiteres Anwendungsgebiet. Hier spielt vor allem die rationelle Fertigung und die unbegrenzten Möglichkeiten der Formgebung eine wesentliche Rolle.

Durch das kleinmaschige Netz von Einzelstäben sind Nagelplattenbauwerke besonders für schwere kleinformatige Bekleidungen wie zum Beispiel Tonziegel und Betondachsteine geeignet. Um Holz- und Nagelplatten auszunutzen werden sehr dünne und hohe Querschnitte verwendet. Die Binder sind senkrecht zur Binderebene äußerst instabil und kippweich. Sie werden deshalb erst durch die Montage zu einem in sich stabilen Gesamtsystem mit Windverbandsbindern und räumlich angeordneten Windrispenbändern verbunden.

Die Dimensionen sind durch die maximal zulässige Spannweiten, durch die Größe der Presstische und durch den Transport begrenzt. Transportiert werden große Binder liegend oder stehend auf Spezialfahrzeugen oder Tiefladern. Für die Zusammenfügung einzelner Binderhälften an der Baustelle gibt es Montagestoßplatten, die zur Hälfte mit einer Lochperforierung für Rillennägel für eine Ausnagelung vor Ort versehen sind.

Nagelplattenbauteile haben durch die außenliegenden Stahlbleche und die sehr dünnen Querschnitte ab 35 mm keinerlei Feuerwiderstand. Brandgefährdete Konstruktionen werden mit feuerhemmenden Unterdeckenbekleidungen bis zu F90B versehen. In korrosionsgefährdetem Milieu, wie in Schweineställen, usw. werden rostfreie Edelstahlplatten verwendet. Diese sind aber nicht für chlorhaltige Umgebungen wie zum Beispiel über Schwimmbädern zugelassen.

Die Nachweise der Nagelplattenverbindungen sind relativ rechenintensiv. Da sich die Berechnung gut in Tabellen schematisieren läßt, wurden schon früh numerische Rechenmaschinen und später Computer eingesetzt. Heute übernehmen Programme schon automatisch nach Eingabe der Hallengeometrie die Berechnung der Maße der Binder und Verbände, sowie der Querschnitte und der Platten.

Statische Berechnung

Nagelplattentragwerke werden mit Stabwerksprogrammen berechnet. Die Hölzer werden auf Zug-, Druck- und Biegespannungen, gegebenenfalls auch mit Theorie zweiter Ordnung bemessen. Die kleinste zulässige Holzbreite beträgt 8 cm, die größte 28 cm. Die Nagelplatten haben durch ihre länglichen Ausstanzungen in den beiden Hauptplattenrichtungen unterschiedliche zulässige Spannungswerte.

Im Gegensatz zu Nagelverbindungen, bei denen Kraft- und Faserrichtungen nur für die Verbindungsmittelabstände eine Rolle spielen, sind bei Nagelplattenverbindungen die zulässigen Spannungen sowohl im Stahlblech als auch im Holzgefüge stark anisotroph. Die Plattenwerte werden – gegebenenfalls durch Interpolation – aus der Zulassung entnommen, abhängig von den Winkeln a zwischen Kraft und Plattenlängsrichtung und b zwischen Kraft und Faserrichtung. Abhängig von diesen Werten werden aufgrund der zulässigen Nagelbelastung Fn die benötigten Platten-Netto-Teilflächen An auf den einzelnen Stabenden ermittelt. Ein Randabstand von 1 cm bzw. ein Mindestrandabstand gemäß Zulassung ist an allen Stabrändern abzuziehen. Zur Bemessung werden nicht einzelne Nagelspitzen gezählt, sondern die Flächen der Nagelplatten an sich bewertet. Eine Einbindetiefe von mindestens 5 cm muß an jedem Stab gewährleistet werden. Nullstäbe müssen bei Tragwerken bis zu 12 m Spannweite mit einer Mindestkraft von 1750 N, bei Spannweiten über 12 m von 2500 N bemessen werden. Bei Traufknoten von Dreiecksbindern müssen die zulässigen Belastungen abgemindert werden. Druckstöße können für die Druckkomponente mit der halben Kraft angeschlossen werden, sofern die volle Druckkraft über Kontakt abgetragen werden kann.

Für Scherkräfte dürfen nur die Flächen in einem Band der Breite von 0,55 le von der Scherlinie angesetzt werden. Außerdem ist die Plattenbelastung und die erforderliche Scherlänge le in den ungünstigsten Querschnitten nachzuweisen. Die Ausstanzungen im Stahlquerschnitt bleiben unberücksichtigt. Vielmehr sind abhängig vom Winkel der Kraft zur Plattenlängsrichtung a zulässige Plattenbelastungswerte aus der Zulassung zu entnehmen.

 

(Auszug aus Diplomarbeit) 

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